Ich bin ja nicht gerade begeistert, so eine Headline gerade von der Chefin der DIE LINKE übernehmen zu können. Doch, wo sie Recht hat, hat sie nun mal Recht. So viel Wahrheit muss immer sein. Und alle im nachfolgenden Artikel sehr präzise geschilderten Beobachtungen kann ich aus eigenem Erleben an anderem Ort nur bestätigen. Man muss DIE LINKE ja nicht wählen oder mögen - tu ich auch nicht. Dennoch: gebe ich den Beitrag gerne weiter, aufgrund der Präzision der Beobachtung und der hinter dem Artikel stehenden Sprachmächtigkeit. Das kann nun mal nicht jede/r.
Quelle: http://www.taz.de/!5245694/
Quelle: http://www.taz.de/!5245694/
PS: Es sind doch ganz und gar erbärmliche Bilder, die von der Bundeshauptstadt aus in diese Welt gehen. Daran ist eine völlig unbewegliche, mediokre und kalte, eher dumme wie ich finde, Bürokratie schuld. Daran gibts nicht viel zu beschönigen. Wer sich kümmert und sich in der Szene bewegt bzw. bewegte, der vermag das - leider - alles nur exakt so bestätigen.
Nachfolgend der Volltext des Beitrags. Quellenangabe siehe oben taz-link:
"Bangladesch, Türkei, China, die Etiketten der Kinderbekleidung, die ich nach Größen sortieren soll, haben eine weite Reise hinter sich und dabei viele Grenzen überschritten. Eine halbe Stunde später helfe ich Menschen beim Anprobieren, die eine ebenso weite Reise hinter sich haben. Für sie sind die überwundenen Grenzen, anders als für die T-Shirts und Pullover, kräftezehrende Hürden. Vielen sieht man die Strapazen noch an. Sie alle warten am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) auf ihre Registrierung oder sind gerade registriert worden.
Nachfolgend der Volltext des Beitrags. Quellenangabe siehe oben taz-link:
"Bangladesch, Türkei, China, die Etiketten der Kinderbekleidung, die ich nach Größen sortieren soll, haben eine weite Reise hinter sich und dabei viele Grenzen überschritten. Eine halbe Stunde später helfe ich Menschen beim Anprobieren, die eine ebenso weite Reise hinter sich haben. Für sie sind die überwundenen Grenzen, anders als für die T-Shirts und Pullover, kräftezehrende Hürden. Vielen sieht man die Strapazen noch an. Sie alle warten am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) auf ihre Registrierung oder sind gerade registriert worden.
Wartende werden mit warmen Getränken, mit
Hygieneartikeln und Informationen versorgt. Im Nebengebäude behandeln
überwiegend ehrenamtliche Ärzt*innen Krankheiten. Nicht zuletzt solche,
die sich Geflüchtete durch die ewigen Wartezeiten vor dem Lageso
zugezogen haben. Hebammen kümmern sich um werdende Mütter.
Ich habe eine Schicht bei den Freiwilligen
übernommen, die sich hier um so ziemlich alles kümmern. Schon lange
wollte ich einmal eintauchen in die Arbeit der Freiwilligen und meinen
bescheidenen praktischen Beitrag zur Solidarität mit Geflüchteten
leisten – Ende Oktober ist es endlich so weit.
Mit fünf anderen helfe ich bei der Ausgabe
und Sortierung von gespendeter Kleidung, die dem Wetter angemessen ist.
Nacheinander gehen die Geflüchteten durch den Raum, dürfen sich Dinge,
die sie benötigen, selbst auswählen. Wir helfen aussuchen und
einschätzen, was im beginnenden Winter insbesondere die durch den Raum
wuselnden Kinder halbwegs warm halten soll.
Verständigungshilfe
Andere Freiwillige besorgen Kinderwägen.
Die sind Mangelware, viele Familien müssen ihre Kinder den ganzen Tag
tragen – und immer wieder wird nach Dolmetscher*innen gerufen. Arabisch,
Farsi, Bosnisch, ganz oft braucht es Verständigungshilfe. Fast immer
findet sie sich nach kurzem Warten.
Durch die Eröffnung einer Zweigstelle ist
die Lage am Lageso auf den ersten Blick nicht mehr so katastrophal wie
noch vor einigen Wochen. Tausende Leute standen manchmal tagelang im
Regen auf dem schlammigen Vorplatz. Übergriffe durch
Security-Mitarbeiter beschäftigten erst jüngst das Abgeordnetenhaus.
Heute sind immer noch einige hundert Menschen auf dem Platz, aber
immerhin gibt es ein paar Zelte, die Schutz bieten.
Auf den zweiten Blick fällt auf, was sich
alles nicht verändert hat. Ich schwanke daher zwischen dem Respekt vor
der Leistung der Freiwilligen und der Fassungslosigkeit darüber, wie die
Freiwilligen derartig alleingelassen werden und Arbeiten übernehmen,
die sonst Menschen ausüben, die dafür jahrelang ausgebildet wurden und
bezahlt werden müssten.
Nicht, dass die Helfenden nicht
professionell arbeiten würden. Im Gegenteil. Nicht nur die Logistik ist
beeindruckend. Das Staatsversagen ist nicht erkennbar, denn die
Freiwilligen gleichen es aus. Wie schon bei meinem Besuch in Heidenau
und in der Dresdner Zeltstadt: Den ganzen Tag höre ich von keiner/m der
Unterstützer*innen ein harsches Wort, auch nicht in stressigen
Situationen. Stattdessen ein sorgsamer Umgang miteinander und mit den
Angekommenen. Immer wieder wird man gefragt, wie es einem geht. Ob man
eine Pause oder eine Erfrischung brauche.
Manche der Geflüchteten sind nach einigen
Tagen selbst zu Freiwilligen geworden. Sie dolmetschen, ordnen und
packen mit an. Mehr als ein Namensschild an der Jacke und ein Kürzel,
welche Sprachen gesprochen werden, braucht es nicht, um sich in die
UnterstützerInnenstrukturen einzufügen.
Wie wenig selbstverständlich dieser
sorgsame Umgang miteinander ist, wird mir noch einmal in der Pause klar.
Maria (Name geändert), die mit mir in der Kleiderkammer arbeitet,
spricht davon, wo sich das Fehlen professioneller Strukturen für sie
bemerkbar macht. Neben der organisatorischen Arbeit ist sie mit
Schicksalen von Menschen konfrontiert, die einen selbst dann überfordern
können, wenn man sie nicht selbst erlebt hat, sondern sie eben nur aus
Erzählungen erfährt.
Unter den Ankommenden sind Menschen, die
Kinder, Partner und Freund*innen im Mittelmeer ertrinken sahen. Es sind
Menschen unter ihnen, die Gewalt erfahren und erlebt haben, die man sich
in Deutschland kaum vorstellen kann. Und es sind Menschen, die in einer
Situation ankommen, in der sie halbwegs sicher sind, aber noch lange
nicht souveräne Gestalter*innen ihres Lebens und ihres Alltags sind.
Wartende, deren Leben von der Wartenummernanzeige des Lageso
strukturiert wird. Diese Fluchtschicksale und das Ausgeliefertsein
beschäftigen und belasten auch die Unterstützenden. Sie nehmen dies mit
nach Hause.
In stressigen Situationen bleibt wenig
Zeit, Missverständnisse auszuräumen. Maria, die selbst eine
Mediationsausbildung hat, meint: Es kann nicht sein, dass es bei so
einer wichtigen Arbeit keine professionelle Supervision gibt.
Verantwortungslos findet sie das, gegenüber den Freiwilligen, aber auch
gegenüber den Geflüchteten. Recht hat sie.
Kein akzeptabler Zustand
Auch mehrere Monate nachdem die angebliche
„Flüchtlingskrise“ ausgerufen worden ist, ist die oft beschworene
Überforderung der Unterstützer*innen nicht eingetreten. Die Lücken, die
das beginnende Semester reißt, weil viele Studierende wieder in die
Seminare müssen, schließen andere. Anders geht es auch nicht, ich will
mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sie nicht da wären. Ein
akzeptabler Zustand ist das nicht.
Die Freiwilligen wollen eigentlich das
tun, was ein Staat in dem Maße nicht leisten kann: persönliche
Unterstützung, den Ankommenden helfen. Stattdessen müssen sie sich damit
beschäftigen, das Existenznotwendige bereitzustellen."
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