Flüchtlinge : Das ganze Land soll endlich reden
Rechte Fackelträger sind in den Schlagzeilen,
strapazierte Politiker reagieren wie im 20. Jahrhundert – dabei bauen
Zehntausende längst die Einwanderungsgesellschaft.
Von Felix Stephan
Klar, jede Bewegung fängt klein an. Aber so klein? Zum Auftakt
seiner großen Debattenoffensive sitzt der Sozialpsychologe Harald Welzer
fast allein im Balkonzimmer des Deutschen Theaters Berlin. Außer ihm
sind nur noch der DT-Intendant Ulrich Khuon und ein paar Mitarbeiter da,
die sich eigentlich um die Journalisten kümmern sollten. Allerdings ist
zu der Pressekonferenz, auf der Welzer eigentlich erklären wollte, wie er die Deutschen endlich mit sich selbst ins Gespräch bringen will, nur genau ein einziger Reporter gekommen. Was natürlich den großen Vorteil hat, dass man endlich mal in Ruhe reden kann.
Die Situation, die tatsächlich unbedingt besprochen werden muss,
sieht so aus: Deutschlands humanitäre Reaktion auf die Flüchtlingskrise
hat die ganze Welt verblüfft. Bis heute ist eine stabile Mehrheit der
Deutschen der Auffassung, dass ihr Land den Vertriebenen helfen sollte,
und dass es über die Ressourcen verfügt, diesen Kraftakt zu meistern.
Doch die öffentliche Debatte wird mittlerweile von Politikern bestimmt,
die auf die Fragestellungen des 21. Jahrhunderts vor allem Antworten aus
dem frühen 20. Jahrhundert geben: Grenzen, Kontrolle, Überwachung. Weil
die Stimmung gleichzeitig einfach nicht kippt, werden die Maßnahmen
vorauseilend damit legitimiert, dass die Stimmung möglicherweise kippen
könnte.
Was Welzer zufolge dabei allzu großzügig übersehen wird: Allein
in der Stadt Flensburg, die bisher nicht unbedingt als Hochburg linker
Aktivisten bekannt war, seien bei 80.000 Einwohnern 10.000 ehrenamtliche
Helfer registriert. Der Hauptbahnhof sei mittlerweile komplett auf die
große Aufgabe ausgerichtet, er sehe aus wie eine Einsatzzentrale: Es
gebe Schalter für Beratung, Kleidung, Getränke, für Kaffee und Kuchen.
Unter den Helfern seien viele Dänen, die mit der
Flüchtlingspolitik ihrer Regierung nicht einverstanden seien und sich
hier beteiligen wollten. Ehrenamt als ziviler Ungehorsam. Man kann es
ruhig noch einmal sagen: Eigentlich ist es ein Wunder, was hier
passiert. Die ganze Welt reibt sich die Augen. Selbst der
Sozialpsychologe Welzer hätte so etwas nicht für möglich gehalten.
Doch wenn in Flensburg 10.000 Menschen nach Feierabend ein
Schichtensystem organisieren, um dem humanitären Selbstverständnis
Europas gerecht zu werden, so hört man davon doch relativ wenig. Wenn
sich aber 10.000 Rechte zum Fackelmarsch in Dresden oder Erfurt
versammeln, sind die Nachrichten Woche für Woche voll davon. Was ist da
los?
Ein irrsinniger Plan
"Alle Gespräche, die über den Themenkomplex Flüchtlinge und
Grenze geführt werden, handeln implizit von einer einzigen Frage", sagt
Welzer. "Was für eine Gesellschaft wollen wir sein? Eine offene
Gesellschaft oder eine Ausgrenzungsgesellschaft?" Und weil die Medien
und das Internet offenbar dabei versagen, ein öffentliches Gespräch über
diese Frage herzustellen, will er es jetzt selbst in die Hand nehmen.
Ihm schwebt eine Reihe von Versammlungen vor, auf denen die Deutschen in
den kommenden Monaten im ganzen Land in den Theatern, den Kulturhäusern
und Stadthallen zusammenkommen und miteinander sprechen.
Ulrich Khuon hat dafür das Deutsche Theater Berlin zur Verfügung
gestellt und die Intendanten der anderen großen Stadttheater
Deutschlands angesprochen. Absagen gab es keine: In den nächsten zwei
Wochen werden öffentliche Debatten in Hamburg, Frankfurt, München und
Köln stattfinden. Dann geht es weiter: Saarbrücken, Flensburg,
Greifswald. Danach sollen die Betriebe folgen: Stahlwerke und
Autofabriken. Das ganze Land soll endlich reden. Ein irrsinniger Plan.
Welzer wünscht sich vor allem belastbare Aussagen. Und um
belastbar zu sein, müssen sie – anders als die Ramschmeinungen, die man
im Internet an jeder Ecke unter die Nase gehalten bekommt – etwas
kosten: Konzentration, Argumentation, Rechtfertigung. Der Minimalaufwand
einer Demokratie. Es geht ihm auch darum, den Radikalen die
Deutungshoheit zu entwenden und sie dem rechtmäßigen Besitzer
zurückzugeben: der Mehrheitsgesellschaft.
Weniger Geschenke, mehr Spenden
Dort ist sie vermutlich ohnehin besser aufgehoben: Eine Umfrage
des Meinungsforschungsinstituts GfK hat gerade ergeben, dass die
Altersgruppe der um die 30-Jährigen in diesem Jahr pro Kopf
durchschnittlich 24 Euro weniger für Weihnachtsgeschenke, dafür 63 Euro
mehr für Hilfsorganisationen ausgeben will. Der Solidaritätsbeitrag für
die zweite große Integrationsleistung in der Geschichte der
Bundesrepublik wird gewissermaßen schon bezahlt, bevor überhaupt jemand
auf die Idee gekommen ist, danach zu fragen.
"Die Politiker sprechen von einer gespaltenen Gesellschaft, aber
ich sehe diese Spaltung nicht", sagt Welzer. "Es gibt eine gewisse
Anzahl von Rechten im vielleicht fünfstelligen Bereich und 40 Millionen
Deutsche, die eine offene Gesellschaft wollen."
Wir müssen jetzt eine Diskussion führen, auf die wir keine Lust haben
Deutschland ist das einzige Land Europas, in denen
rechtspopulistische Parteien keinerlei realen Einfluss haben. Trotzdem
arbeiten sich Politik und Medien an der radikalen Minderheit ab, während
die jungen Deutschen ihr Geld den zahllosen ehrenamtlichen Helfern in
die Hand drücken, auf dass diese damit die Einwanderungsgesellschaft
organisieren. Als würde das Migrationsministerium, das bis heute nicht
existiert, kommissarisch von Bürgern und Freiwilligenverbänden
betrieben.
An dieser Stelle des Gesprächs kommt der Schriftsteller Ingo
Schulze ins Deutsche Theater, eine halbe Stunde zu spät: "Mein Name ist
Ingo Schulze und ich dachte, es geht um zwölf los." Kein Problem, wir
sind ja unter uns. Im Januar hat er einen Essay über Pegida in der Sächsischen Zeitung
veröffentlicht. Daraufhin haben ihn alte Klassenkameraden aus Sachsen
angerufen und sich über den Text beschwert. Sie fühlten sich bedrängt
und falsch verstanden. Doch was genau ihre Positionen und Vorschläge
sind, wusste Schulze auch nach den Telefonaten nicht genau. Viele ihrer
Argumente seien schlicht unwahr gewesen.
"Heute fällt uns die Polarisierung der Gesellschaft auf die
Füße, die wir seit 25 Jahren betreiben", sagt er. Wenn jemand kaum über
die Runden komme, sei ihm schwer verständlich zu machen, dass
Deutschland ein reiches Land sei. Auf dem Gebiet der ehemaligen DDR sei
das Bruttoinlandsprodukt nach der Wiedervereinigung auf 27 Prozent
gefallen, stärker als in jedem anderen osteuropäischen Land. Diese
Demütigung wirke bis heute nach.
"Es ist gut, dass die Rechten sichtbar werden"
Wenn man darüber sprechen wolle, wie Deutschland mit seiner
neuen Rolle umgehen soll, müsse man über alles reden, sagt Schulze: über
den Rückzug des Staates, über die Macht der Finanzwirtschaft, über die
Kolonialisierung, den Kalten Krieg, die Neokolonialisierung. Weil alles
mit allem zusammenhängt, muss jetzt alles auf den Tisch. "Natürlich
besetzen die Rechten zu viel Raum, aber es ist gut, dass sie sichtbar
werden", sagt er. "Sobald sie ihre Positionen formulieren müssen, merkt
man, wie läppisch das ist." Wir müssten jetzt eine Diskussion führen,
auf die wir keine Lust hätten.
Der Politikberater Alexander Carius kommt noch dazu. Die
Debattenreihe war auch seine Idee. Er ist spät dran, sein Flug wurde
gestrichen, die Zeit rennt. Er stellt ein Tablet vor sich auf den Tisch
und erzählt von dem indischen Taxifahrer, der ihn vor Kurzem durch
Washington gefahren habe: "Ihr werdet ja eine richtig aufgeklärte
Gesellschaft", habe der anerkennend zu seinem deutschen Passagier
gesagt. Nachdem zehn Millionen Menschen vor dem Naziregime geflohen
seien, seien die Deutschen jetzt da, wenn man sie braucht.
"Eigentlich gibt es in Deutschland kein gesamtgesellschaftliches
Problem, das sich auf so eine breite Zustimmung in der Bevölkerung
berufen kann", sagt Carius, "60 Prozent der Deutschen sind dafür, die
Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen." Die eigentliche Frage sei,
warum die Politik dabei so überfordert wirkt: Seit Jahren bekämen die
deutschen Politiker von internationalen Institutionen und
Beratungsagenturen wie seiner gesagt, dass man sich mittelfristig auf
vier bis sechs Millionen Flüchtlinge einstellen müsse. Dass sie jetzt so
unvorbereitet sind, sei deshalb kaum zu begreifen.
Der Staat hätte vorbereitet sein können
Der Staat sei jetzt auch deswegen auf das Engagement der
freiwilligen Helfer angewiesen, weil er es schlicht verschlafen habe,
sich vorzubereiten: Institutionen zu gründen, Leute anzustellen, ein
Budget zu reservieren. Vielen Politikern sei es nur einfach zu peinlich,
das einzugestehen. Der zweite kapitale Fehler habe darin bestanden, das
Thema im Innenministerium anzusiedeln, dem Ministerium für Polizei und
Ordnungsrecht. Dort sei das Thema völlig falsch: Die Behörde sei dazu
da, Gefahren abzuwehren. Wenn es darum gehe, notleidende Vertriebene zu
versorgen, habe es keinerlei Erfahrungen. Dieser Fehler wurde immerhin
korrigiert: Mittlerweile wird das Thema direkt vom Kanzleramt aus
betreut.
"Frank-Walter Steinmeier hat einmal gesagt, dass sein Haus drei
Krisen parallel bearbeiten kann", sagt Carius, "Doch es sind jetzt schon
zu viele. Vor Kurzem habe ich den französischen Außenminister Laurent
Fabius gefragt, wie eigentlich seine langfristige internationale
Strukturpolitik aussieht. Er fragte zurück, was ich eigentlich erwarte:
Solle er sich etwa nicht mehr um die Krise in Syrien kümmern? Ich finde
die Antwort dramatisch."
Europäische Politiker verdrängten noch immer, dass es ihnen
irgendwann auf die Füße fällt, wenn sie ihre Entscheidungen nicht auf
langfristige globale Konsequenzen hin überprüfen. Politische
Entscheidungen, die in den USA oder Europa mitunter aus innenpolitischen
Motiven getroffen werden, lösen heute oft unüberschaubare
Kettenreaktionen aus: Im Juli 2015 zum Beispiel hat das Versorgungswerk
der Vereinten Nationen, das World Food Programme, bekannt gegeben, dass
es wegen Budgetkürzungen die Nothilfe in den Flüchtlingslagern in
Jordanien und im Libanon massiv reduzieren muss, wo etwa fünf Millionen
Syrer leben. Daraufhin haben sich sofort über eine Million Syrer auf den
Weg nach Europa gemacht. Sie wären sonst schlicht verhungert.
Und gerade hat die schwedische Regierung entschieden, 60 Prozent
ihrer Entwicklungshilfe für die Betreuung der Flüchtlinge im Inland
auszugeben. Das Geld wird in den Entwicklungsländern bitter fehlen.
"Europa stellt zwei Drittel der weltweiten Entwicklungshilfe", sagt
Carius, "wenn davon die Hälfte wegfällt, werden sich die Probleme noch
verschärfen. Wir müssten im Gegenteil mehr ausgeben."
Die Eliteflüchtlinge von Potsdam
Die globalisierte Welt ist mittlerweile so vernetzt und die
europäischen Regierungen so einflussreich, dass Entscheidungen, die im
nationalen Kontext oft kaum bemerkt werden, international unabsehbare
Konsequenzen haben können. Trotzdem tun Regierungschefs und Minister
ihren Wähler gegenüber oft noch so, als höre ihr Einflussbereich an der
Landesgrenze auf. Sie drücken sich vor einer ehrlichen Debatte und
schicken stattdessen Sicherheitspolitiker vor, die routiniert auf
Gefahren hinweisen. Nicht, weil sie sich in dem Thema besonders gut
auskennen würden, sondern weil es nun einmal der Job von
Sicherheitspolitikern ist, auf Gefahren hinzuweisen. "Das Weltsystem
gerät aus den Fugen und damit müssen wir umgehen", sagt Carius, "das
heißt: Wir müssen Globalpolitik machen."
Die erste von Welzers öffentlichen Debatten findet noch am
selben Abend in Potsdam statt, das sich zu Berlin mittlerweile verhält
wie Starnberg zu München. Im großen Haus des Stadttheaters wird gerade
der Innovationspreis Berlin-Brandenburg vergeben. Audi stellt einen
Shuttle-Service, es gibt einen roten Teppich. Schulze, Welzer und die
amerikanische Philosophin Susan Neiman sitzen währenddessen 100 Meter
weiter im kleinen Haus auf Holzstühlen und halten Impulsreferate. Die
schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet, es sind
ungefähr 100 Leute gekommen. Immerhin. Trotzdem: Man merkt der
Veranstaltung an, dass sie zum ersten Mal stattfindet. Nicht allen
scheint klar zu sein, worüber eigentlich gesprochen werden soll, dabei
ist es eigentlich ganz einfach: über alles.
Weniger Toleranz!
Susan Neimans Impulsvortrag handelt vom Toleranzbegriff der
Deutschen. Sie habe ihr ganzes Leben als Außenseiterin verbracht, sagt
sie: in Atlanta als Jüdin, im West-Berlin der Achtziger als Ausländerin,
in Tel Aviv als Amerikanerin. Erst jetzt, da sie mit ihren Kindern in
Neukölln zwischen Arabern, Griechen und Franzosen wohne, fühle sie sich
endlich nicht mehr bloß toleriert. Sie glaube deshalb, dass sie auch für
andere Migranten spreche, wenn sie von den Deutschen fordere: weniger
Toleranz!
Die Diskussion, die dann folgt, ist etwas unübersichtlich,
weshalb sie hier einfach chronologisch wiedergegeben werden soll: Der
erste Teilnehmer fordert, dass sich die politischen Eliten nicht hinter
Fremdworten wie Nepotismus oder Austerität verstecken sollen, weil es
ihre Aufgabe sei, alle Menschen zu erreichen. Der zweite sagt, dass man
nicht über Begriffe diskutieren solle, sondern über Haltungen – also
über Solidarität, wie man das früher genannt habe, oder seinetwegen
Nächstenliebe, wenn denn der christliche Bezug unbedingt sein müsse. Der
dritte fragt, was nun mit unserer Fixierung auf die Ökonomie passiere:
"Besiegen wir jetzt den Kapitalismus?" Der vierte ruft die preußische
Willkommenskultur in Erinnerung, die Zigtausenden vertriebenen
Hugenotten geholfen habe, wovon gerade die Potsdamer bis heute
profitierten. Im zweiten Teil seines Statements beklagt er, dass Pegida
und der IS jeweils ein warmes Gemeinschaftsgefühl anzubieten hätten, sie
aber nicht.
Er ist der erste Teilnehmer, der sich geradezu in Rage redet,
doch er wird nicht der letzte sein. Stellenweise wirkt der Abend wie
eine Versammlung invertierter Wutbürger: Auch sie haben das
orientierungslose Gerede der Politiker satt, auch sie fühlen sich allein
gelassen, auch sie wollen bisweilen einfach ihre Frustration zum
Ausdruck bringen. Nur eben unter umgekehrtem Vorzeichen: Je länger der
Abend dauert, desto selbstbewusster stehen die Gäste dazu, dass sie in
der Flüchtlingshilfe aktiv sind, was am Anfang noch eher schamvoll und
probehalber angedeutet wurde.
Das Gespräch dreht sich deshalb schnell um ganz praktische
Fragen: Wie kann man dafür sorgen, dass der Willkommenskultur-Euphorie
kein bräsiges Stimmungstief folgt, wie man es nach 1989 schon einmal
erlebt hat? Wie verhindert man, dass sich Banlieues herausbilden? Wie
organisiert man jetzt, da die Erstversorgung in den meisten Fällen
geleistet wurde, die Zweitversorgung?
Flüchtlinge in den Anglerverein!
Ein Potsdamer Unternehmensberater erzählt, dass viele
Unternehmer gern Flüchtlinge anlernen würden, aber zögerten, weil sie
keine Rechtssicherheit hätten: Solange sie damit rechnen müssten, dass
ihre Angestellten in einem Jahr abgeschoben würden, hielten sie sich
zurück. Ein Unternehmer sucht noch Mitstreiter für seine Initiative 3+3,
mit der er jungen Syrern sechsmonatige Praktika organisiert. Eine Frau
landet einen passablen Lacher, als sie erzählt, dass Flüchtlinge vor
Kurzem beim illegalen Angeln erwischt wurden. Dass man in Deutschland
dafür einen Angelschein brauche, darauf seien sie natürlich nicht
gekommen. Wenn man sie jetzt aber fix in den Anglerverein aufnehme, sei
das auch geklärt.
Einerseits geht der Abend im gewissen Sinne schief. Die
Potsdamer, die hergekommen sind, führen keine Debatte über die Frage, in
was für einer Gesellschaft sie leben wollen. Sie errichten sie längst.
Und sie bilanzieren nicht ohne Stolz, dass "Flüchtlinge in Potsdam
Eliteflüchtlinge sind", wie eine Teilnehmerin sagt: Sie werden hier von
den Freiwilligen erstklassig versorgt, in Vereine aufgenommen, mit
Angeboten überschüttet.
Andererseits deutet sich an, dass Welzers Initiative eine ganz
andere Funktion übernehmen könnte als vorgesehen: Sie könnte genau das
öffentliche Forum werden, das der pragmatischen Helfercommunity bislang
gefehlt hat. Weil es wenig Aufwand bedeutet, gegen Flüchtlinge zu sein,
hatten die Rechten von Anfang an ausreichend Ressourcen, um sich um die
Pressearbeit zu kümmern und mit gezielten Provokationen die öffentliche
Aufmerksamkeit zu kapern.
Dass die Heerscharen an Freiwilligen im ganzen Land hingegen so
unterrepräsentiert sind, hat auch damit zu tun, dass ihnen schlicht die
Zeit fehlt, um mit Trillerpfeifen durch die Innenstädte zu ziehen oder
eine Kommunikationsstrategie zu entwickeln. Sie sind vollauf damit
beschäftigt, die Arbeit zu erledigen, die ihnen eine überforderte
Regierung stillschweigend überlassen hat, damit sie in Ruhe über neue
Grenzen, mehr Überwachung und den Abbau von Freiheitsrechten befinden
kann. Nicht nur deshalb ist längst überfällig, dass die Helfer eine
Stimme bekommen. Was Deutschland ihnen schon jetzt schuldet, ist kaum zu
bemessen.
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