#refugeeswelcome #refugeecamp #germany #berlin #syria - persönliche Erfahrungen (und mittlerweile auch Konsequenzen) bei der freiwilligen Mitarbeit bei Aufbau und Organisation der medizinischen Notversorgung in einer Massenunterkunft in der Hauptstadt
Wie sagte Glietsch gestern abend doch noch zu mir: "Meckern kann jeder!" - Nee Herr Staatssekretär. Hier muss man meckern und protestieren, so laut wie man nur vermag und den Typen den Spiegel so vorhalten, dass die von ihrer eigenen Eitelkeit geblendet werden. - RegBM und Czaja hatten "leider keine Zeit für ein Interview". Vögel!
Wie Politiker und eine unfähige Verwaltung das Flüchtlingselend in Berlin fördern
19.11.2015 | 08:20 Min. | Verfügbar bis 19.11.2016 | Quelle: Rundfunk Berlin-Brandenburg
Vor dem
Berliner Landesamt für Gesundheit herrschen seit Monaten Zustände wie
in Flüchtlingslagern in Kriegsgebieten. Kinder und Kranke warten auf
Termine, schon morgens um vier. Neue Flüchtlinge versuchen sich
registrieren zu lassen, andere brauchen ärztliche Hilfe und Medikamente.
Trotz erschreckender Bilder bekommt die Berliner Landespolitik das
Problem nicht in den Griff.
Hier für alle ohne Video-insert das vollständige Transscript der Sendung:
Wie Politiker und eine unfähige Verwaltung das
Flüchtlingselend in Berlin fördern
Vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit herrschen seit Monaten
Zustände wie in Flüchtlingslagern in Kriegsgebieten. Kinder und
Kranke warten auf Termine, schon morgens um vier. Neue Flüchtlinge
versuchen sich registrieren zu lassen, andere brauchen ärztliche
Hilfe und Medikamente. Trotz erschreckender Bilder bekommt die
Berliner Landespolitik das Problem nicht in den Griff.
Anmoderation: Nicht nur die Terroranschläge bestimmen derzeit die
Politik und das persönliche Empfinden. Auch die Flüchtlingsfrage.
Trotz aller Probleme, überall wird die deutsche Willkommenskultur
gelobt - Flüchtlinge würden bei uns besser behandelt als anderswo
in Europa. Doch ausgerechnet in der Hauptstadt Berlin herrschen
vor dem größten Flüchtlingsamt der Stadt unfassbare Zustände.
Caroline Walter und Christoph Rosenthal haben dramatische Szenen
eingefangen und zeigen: Die Berliner Politik versagt wieder einmal
nach Strich und Faden.
Berlin – kurz vor 4 Uhr morgens: Hunderte Flüchtlinge harren in
der Kälte aus. Wer um diese Uhrzeit nicht hier ist, hat wenige
Chancen, heute noch bei der Flüchtlingsbehörde dran zu kommen.
Auch Familien mit Kindern müssen im strömenden Regen anstehen.
O-Ton Flüchtling
"Wir dürfen die Kinder nicht alleine in der Asylunterkunft
lassen, der Heimleiter hat gesagt, wir sollen sie mitnehmen."
Schon vier Tage steht die Familie geduldig jeden Morgen an, um das
Asylgeld und Bescheinigungen abzuholen. Als das Tor geöffnet wird,
ist der Druck der vielen Menschen zu groß, die Situation gerät
außer Kontrolle. Die Flüchtlinge stürmen auf das Gelände der
Behörde. Doch dort ist der nächste Flaschenhals – Zelte, wo es
wieder heißt, einen Platz in der Warteschlange zu sichern. Einige
Flüchtlinge sind am Ende ihrer Kräfte, ein junger Mann kollabiert
sogar.
Dieser Iraker am Ende der Schlange hat seit Tagen keinen
Schlafplatz mehr - denn für jede Notunterkunft braucht man eine
Bescheinigung, die hier immer wieder verlängert werden muss. Aber
dazu müsste er erst einmal einen Termin kriegen.
O-Ton Flüchtling "Jeden Tag sagen zu mir: morgen, morgen, morgen. Warten,
tut mir Leid, morgen. Kein auch ‚tut mir leid‘, morgen, morgen.
20 Stunden bin ich hier jeden Tag in Lageso."
Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales – kurz Lageso –
ist zuständig dafür, dass Flüchtlinge registriert werden, Geld zum
Leben und eine Unterkunft haben sowie medizinische Versorgung
erhalten. Doch die Behörde ist komplett überfordert. An jeder Ecke
des Lageso stehen verzweifelte Flüchtlinge.
Die Terminvergabe ist katastrophal – viele zeigen uns Zettel mit
9-Uhr-Terminen – die aber wertlos sind. Andere haben zwar
Wartenummern – aber es werden am Tag viel mehr herausgegeben als
Fälle bearbeitet werden können. Die Security draußen verliert den
Überblick - es ist das reinste Chaos.
Dieses Ehepaar aus dem Irak irrt herum. Sie sind in einem
entfernten Berliner Bezirk untergebracht und haben hier eigentlich
einen Termin.
O-Ton Irakische Frau "Wir sind etwa zwei Stunden unterwegs gewesen, damit wir
pünktlich hier sind und jetzt warten wir immer noch. Mein
Ehemann ist sehr krank und ich kann einfach nicht mehr."
Ihr Mann hat Alzheimer, aber niemand kümmert sich um die beiden.
Keiner hier versteht das System – auch wir nicht.
Seit Monaten herrschen solche Zustände vorm Berliner
Flüchtlingsamt. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD)
schiebt die Verantwortung auf seinen Sozialsenator Mario Czaja
(CDU) ab – und der reicht sie weiter nach unten. Der Präsident vom
Lageso räumt ein, dass die Situation verbessert werden müsste –
aber es fehle an Räumlichkeiten und am Personal.
O-Ton Franz Allert, Präsident Lageso
"Trotz erhöhter Einstellungen fehlt uns nach wie vor
qualifiziertes Personal und unser Appell geht ja immer wieder an
die politisch verantwortlichen, hier noch zusätzliches Personal
zu genehmigen, damit hier auch eine nachhaltige Verbesserung der
Situation erfolgen kann."
Aber für die mangelhafte Organisation – die unverlässliche
Terminvergabe - ist die Behörde selbst verantwortlich.
Auf dem Gelände treffen wir Nadine – sie betreut gerade
ehrenamtlich die Syrerin Manal. Sie hat eine Risikoschwangerschaft
und wurde deshalb schon operiert. Manal war ohne Unterkunft bis
die Ehrenamtlichen ihr geholfen haben. O-Ton Nadine, Ehrenamtliche Helferin
"Wenn jetzt mein Kollege und ich nicht da gewesen wären, ich
sag es einfach ganz krass, dann hätte sie wahrscheinlich jetzt
schon ihr Kind verloren. Sie wäre wahrscheinlich nicht im
Krankenhaus, sie hätte auf der Straße gesessen und ich will mir
gar nicht noch mehr ausmalen, was da passiert wäre."
Manal braucht dringend Bettruhe. Trotzdem musste sie bereits am
Freitag am Lageso Schlange stehen. Nach acht Stunden warten hieß
es dann – bitte am Montag wiederkommen, dann prüfe man, ob ein
Platz in einer Unterkunft frei sei.
O-Ton Syrischer Flüchtling
"Ich habe meine Probleme der Sachbearbeiterin erzählt, aber die
meinte, ich muss warten wie die Anderen."
Nadine versucht jetzt, dass die Schwangere als Härtefall
akzeptiert wird und dann schneller an die Reihe kommt. Das muss
jetzt eine ehrenamtliche Hebamme der Caritas-Krankenstation
klären. Sie erzählt, dass die Hürden vom Lageso für Härtefälle
viel zu hoch seien. O-Ton Simone Logar, Ehrenamtliche Hebamme
"Es kommt immer wieder zu Situationen wo ich schwangere Frauen
weg schicken muss, wo ganz klar wäre, die haben Bettruhe, die
müssen sich schonen. Und die müssen hier, so hart es ist weil
sie in der – ich sag immer – in der ‚Lageso-Welt‘ kein Härtefall
sind, sich ganz normal weiter anstellen. Woche für Woche, Tag
für Tag."
Pro Tag werden die schlimmsten Krankenfälle zwar gesammelt, aber
erst am nächsten Tag wird entschieden, wer als Härtefall
ausgewählt wird – und das sind nur ganz wenige. O-Ton Simone Logar, Ehrenamtliche Hebamme "Ich bin seit Mitte August hier wo ich immer wieder
versuche, irgendwie die Stellen anzuschreiben, anzurufen, die
dafür verantwortlich sind, weil das kann man medizinisch
teilweise nicht verantworten, was wir hier tun."
Es ist Abend vorm Lageso. Für Vicky Baxter und andere
Ehrenamtliche von der Bürgerinitiative "Moabit hilft" fängt jetzt
erst der Stress an. Das Amt hat geschlossen, aber die Probleme
bleiben. Es kommen ständig Flüchtlinge, die noch nicht registriert
sind und jetzt nicht wissen wohin. Vicky erhält einen Anruf von
einem Bürger, der obdachlose Flüchtlinge entdeckt hat. Wir gehen
mit ihr hin. Die Flüchtlinge sind gerade nicht da, aber ihre
Habseligkeiten unter der Brücke. O-Ton Vicky Baxter, Ehrenamtliche "Moabit hilft" "Berlin ist eine Schande für die deutsche Regierung als
Hauptsitz. Hamburg kriegt das geregelt, München, Passau, alle
anderen. Und Berlin? Das ist peinlich. Mehr kann ich dazu nicht
sagen. Das ist einfach peinlich."
Um 22 Uhr macht sich die Stadträtin Sabine Smentek ein Bild von
der Lage. Sie prangert seit Monaten die Zustände beim Senat an –
vor allem, was den Schutz der Kinder betrifft, für den sie
zuständig ist.
O-Ton Sabine Smentek (SPD), Bezirksstadträtin Berlin Mitte
"Ich habe ja dem Sozialsenator von Berlin, Herrn Czaja, zwei
Briefe geschrieben und in dem einen Brief habe ich geschrieben,
dass ich jedes private Unternehmen, dass für eine solche
Wartesituation verantwortlich wäre, zumachen könnte bzw.
verbindliche Auflagen erteilen könnte, damit hier nicht Kinder
auf der Straße stehen und liegen und so lange warten müssen.
Dass man Kinder vor einer Behörde schützen muss, hat der
Gesetzgeber nicht vorgesehen."
Um ein Uhr nachts kommt diese Familie, um sich anzustellen. Das
Lageso hatte sie zunächst in einem Hostel untergebracht.
"Die sind mittlerweile 12 Tage obdachlos. Der Hostel-Gutschein
war für knapp einen Monat ausgestellt, ist jetzt am 4.11.
abgelaufen. Und seitdem bemühen sie sich jetzt hier eine
Verlängerung zu erreichen."
Um zwei Uhr kommen immer mehr Frauen mit Kindern, um in der Kälte
zu warten. Das beheizte Zelt steht leer, aber sie dürfen nicht
rein. Vier Uhr morgens – erneut kommt es zu unerträglichen Szenen
– gefährliches Gequetsche durch die Absperrung. Polizei und
Sicherheitskräfte haben es nicht mehr im Griff. Erst als dieser
syrische Flüchtling aus Aleppo spontan eingreift, klappt es.
Wieder müssen sie rennen, um nicht obdachlos oder ohne Geld zu
sein – und das in Deutschland.
Abmoderation: Übrigens hatten weder der Berliner Sozialsenator
noch der Regierende Bürgermeister Zeit für ein Interview.
Beitrag von Caroline Walter und Christoph Rosenthal
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