Flüchtlingsversorgung in Berlin
Kostenübernahme läuft nur schleppend
Die Versorgung in den Berliner Erstaufnahmeeinrichtungen liegt
weitgehend in der Hand ehrenamtlich tätiger Ärzte und Pfleger. Das Land
gerät dafür immer mehr in die Kritik.
BERLIN. Für Aufsehen hat jüngst Berlins Ärztekammer-Präsident
Dr. Günther Jonitz gesorgt, als er angesichts der Zustände in den
Erstaufnahmeeinrichtungen von "Dritter-Welt-Medizin" sprach und den
Senat dazu aufforderte, endlich aktiv zu werden. Bisher erhalten die
Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen nur dank der vielen
freiwilligen Helfer aus Praxen und Kliniken überhaupt eine medizinische
Erstbetreuung.
Die Charité etwa versorgt inzwischen an drei Erstaufnahme-Standorten
die Flüchtlinge. "Die Bereitschaft unserer Mitarbeiter, sich hier
freiwillig zu engagieren, ist weiterhin ungebrochen", sagte Mitte
Oktober der stellvertretende Ärztliche Direktor der Charité, Dr. Joachim
Seybold.
Derzeit ist einem Bericht des "Tagesspiegel" zufolge geplant, dass
das Uniklinikum auch die Versorgung am Landesamt für Gesundheit und
Soziales (Lageso) übernimmt. Kritiker erwarten, dass das Land Berlin den
Einsatz der Hochschulkräfte dann auch bezahlt. Die Untersuchung der
Flüchtlinge sei schließlich Aufgabe des Landes.
Ehrenamtliche keine Selbstverständlichkeit
Das müsse mehr Amtsärzte einstellen. Der Einsatz von Ehrenamtlichen
dürfe jedenfalls keine Selbstverständlichkeit werden, warnte jüngst der
Marburger Bund. Ärztekammer-Chef Jonitz schlug vor, die freiwilligen
Helfer auf Honorarbasis zu bezahlen.
"Alle Krankenhäuser sind bereit, Hilfe zu leisten", betont Oliver
Heide, Pressesprecher der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).
Angesichts des Flüchtlingszustromes werde die BKG noch keine Kritik am
Land Berlin üben, "das ist jetzt eine Ausnahmesituation".
Angesichts der angespannten Finanzlage in den Kliniken könne aber das
Engagement bei der Flüchtlingsversorgung, das aus den eigenen Budgets
finanziert wird, "keine Dauersituation" werden.
Wie viele Flüchtlinge in den Notaufnahmen der Berliner Kliniken
behandelt werden, darüber versucht sich die BKG derzeit einen Überblick
zu verschaffen. Zahlen dazu soll es in einigen Wochen geben. Derzeit
"dauert es relativ lange", bis die Behandlungskosten für registrierte
Flüchtlinge vom Lageso bezahlt werden.
Grund ist der Personalmangel in dem Amt. "Wir hoffen, dass es mit der
Einführung der Gesundheitskarte Anfang nächsten Jahres besser wird und
nicht mehr über das Lageso abgerechnet wird", so Heide. Probleme beim
Kostenersatz haben die Krankenhäuser bei der Behandlung von noch nicht
registrierten Flüchtlingen.
Bei ihnen müssen nämlich die Kliniken nachweisen, dass diese
Patienten überhaupt bedürftig sind und Anspruch auf Kostenübernahme
haben. "Wir fordern schon lange, dass diese Beweislastumkehr geändert
wird", so Heide. Generell schwierig sei die Kostenübernahme durch das
Land für die Erste-Hilfestellen, egal ob die Flüchtlinge registriert
sind oder nicht, bestätigen die DRK-Kliniken.
Nur schleppende Rückmeldungen
Von dem Lageso gebe es keine oder nur sehr schleppende Rückmeldungen
"auf unsere Forderung nach Bestätigung der Kostenübernahme", berichtet
Sprecherin Tanja Kotlorz. Von Januar bis zum 27. Oktober wurden an den
drei Standorten der DRK-Kliniken rund 1800 Flüchtlinge in den
Erste-Hilfestellen behandelt.
Nach Angaben von Dr. Daniel Schachinger, Ärztlicher Leiter der beiden
Notaufnahmen Westend und Mitte, leiden die Flüchtlinge im Wesentlichen
unter Infekten der Atemwege, Magen-Darm-Problemen oder Magenschmerzen.
"Versorgt wurden aber auch Patienten mit Kriegsverletzungen oder
Patienten mit Knochenbrüchen, die sie sich auf der Flucht zugezogen
haben und welche bis dato kaum oder gar nicht versorgt wurden", sagt
Schachinger.
Lange auf die Begleichung ihrer Rechnung warten müssen nach Angaben
der KV auch niedergelassene Ärzte, wenn sie Patienten aufgrund von
Kostenübernahmeerklärungen des Lageso behandeln.
Ein Arzt, der seit einem Jahr auf sein Geld wartet, hat deshalb jetzt
Klage vor dem Sozialgericht Berlin gegen das Land Berlin erhoben.Anders
sieht es dagegen aus, wenn Flüchtlinge mit Behandlungsschein in die
Praxis kommen. "Die Vertragsärzte rechnen im Normalfall über die KV mit
dem Lageso ab und bekommen das Geld pünktlich mit ihrer normalen
Honorarzahlung", so die KV Berlin.
Sie macht allerdings auf ein Problem aufmerksam: und zwar die
medizinische Versorgung von unbegleiteten Jugendlichen. Da nach
deutschem Recht jede Heilbehandlung eine Körperverletzung darstellt,
kann die Behandlung nur nach Einwilligung des Vormundes begonnen werden.
Die amtliche Bestellung eines Vormundes, so die KV, dauere allerdings
oft mehrere Wochen. "In dieser Wartezeit können ohne Haftungsrisiko nur
echte Notfälle behandelt werden", so die KV. (juk)
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