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Samstag, 31. Oktober 2015

Flüchtlingsversorgung in Berlin - Kostenübernahme läuft nur schleppend


Flüchtlingsversorgung in Berlin

Kostenübernahme läuft nur schleppend

Die Versorgung in den Berliner Erstaufnahmeeinrichtungen liegt weitgehend in der Hand ehrenamtlich tätiger Ärzte und Pfleger. Das Land gerät dafür immer mehr in die Kritik.
BERLIN. Für Aufsehen hat jüngst Berlins Ärztekammer-Präsident Dr. Günther Jonitz gesorgt, als er angesichts der Zustände in den Erstaufnahmeeinrichtungen von "Dritter-Welt-Medizin" sprach und den Senat dazu aufforderte, endlich aktiv zu werden. Bisher erhalten die Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen nur dank der vielen freiwilligen Helfer aus Praxen und Kliniken überhaupt eine medizinische Erstbetreuung.
Die Charité etwa versorgt inzwischen an drei Erstaufnahme-Standorten die Flüchtlinge. "Die Bereitschaft unserer Mitarbeiter, sich hier freiwillig zu engagieren, ist weiterhin ungebrochen", sagte Mitte Oktober der stellvertretende Ärztliche Direktor der Charité, Dr. Joachim Seybold.
Derzeit ist einem Bericht des "Tagesspiegel" zufolge geplant, dass das Uniklinikum auch die Versorgung am Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) übernimmt. Kritiker erwarten, dass das Land Berlin den Einsatz der Hochschulkräfte dann auch bezahlt. Die Untersuchung der Flüchtlinge sei schließlich Aufgabe des Landes.

Ehrenamtliche keine Selbstverständlichkeit

Das müsse mehr Amtsärzte einstellen. Der Einsatz von Ehrenamtlichen dürfe jedenfalls keine Selbstverständlichkeit werden, warnte jüngst der Marburger Bund. Ärztekammer-Chef Jonitz schlug vor, die freiwilligen Helfer auf Honorarbasis zu bezahlen.
"Alle Krankenhäuser sind bereit, Hilfe zu leisten", betont Oliver Heide, Pressesprecher der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG). Angesichts des Flüchtlingszustromes werde die BKG noch keine Kritik am Land Berlin üben, "das ist jetzt eine Ausnahmesituation".
Angesichts der angespannten Finanzlage in den Kliniken könne aber das Engagement bei der Flüchtlingsversorgung, das aus den eigenen Budgets finanziert wird, "keine Dauersituation" werden.
Wie viele Flüchtlinge in den Notaufnahmen der Berliner Kliniken behandelt werden, darüber versucht sich die BKG derzeit einen Überblick zu verschaffen. Zahlen dazu soll es in einigen Wochen geben. Derzeit "dauert es relativ lange", bis die Behandlungskosten für registrierte Flüchtlinge vom Lageso bezahlt werden.
Grund ist der Personalmangel in dem Amt. "Wir hoffen, dass es mit der Einführung der Gesundheitskarte Anfang nächsten Jahres besser wird und nicht mehr über das Lageso abgerechnet wird", so Heide. Probleme beim Kostenersatz haben die Krankenhäuser bei der Behandlung von noch nicht registrierten Flüchtlingen.
Bei ihnen müssen nämlich die Kliniken nachweisen, dass diese Patienten überhaupt bedürftig sind und Anspruch auf Kostenübernahme haben. "Wir fordern schon lange, dass diese Beweislastumkehr geändert wird", so Heide. Generell schwierig sei die Kostenübernahme durch das Land für die Erste-Hilfestellen, egal ob die Flüchtlinge registriert sind oder nicht, bestätigen die DRK-Kliniken.

Nur schleppende Rückmeldungen

Von dem Lageso gebe es keine oder nur sehr schleppende Rückmeldungen "auf unsere Forderung nach Bestätigung der Kostenübernahme", berichtet Sprecherin Tanja Kotlorz. Von Januar bis zum 27. Oktober wurden an den drei Standorten der DRK-Kliniken rund 1800 Flüchtlinge in den Erste-Hilfestellen behandelt.
Nach Angaben von Dr. Daniel Schachinger, Ärztlicher Leiter der beiden Notaufnahmen Westend und Mitte, leiden die Flüchtlinge im Wesentlichen unter Infekten der Atemwege, Magen-Darm-Problemen oder Magenschmerzen. "Versorgt wurden aber auch Patienten mit Kriegsverletzungen oder Patienten mit Knochenbrüchen, die sie sich auf der Flucht zugezogen haben und welche bis dato kaum oder gar nicht versorgt wurden", sagt Schachinger.
Lange auf die Begleichung ihrer Rechnung warten müssen nach Angaben der KV auch niedergelassene Ärzte, wenn sie Patienten aufgrund von Kostenübernahmeerklärungen des Lageso behandeln.
Ein Arzt, der seit einem Jahr auf sein Geld wartet, hat deshalb jetzt Klage vor dem Sozialgericht Berlin gegen das Land Berlin erhoben.Anders sieht es dagegen aus, wenn Flüchtlinge mit Behandlungsschein in die Praxis kommen. "Die Vertragsärzte rechnen im Normalfall über die KV mit dem Lageso ab und bekommen das Geld pünktlich mit ihrer normalen Honorarzahlung", so die KV Berlin.
Sie macht allerdings auf ein Problem aufmerksam: und zwar die medizinische Versorgung von unbegleiteten Jugendlichen. Da nach deutschem Recht jede Heilbehandlung eine Körperverletzung darstellt, kann die Behandlung nur nach Einwilligung des Vormundes begonnen werden. Die amtliche Bestellung eines Vormundes, so die KV, dauere allerdings oft mehrere Wochen. "In dieser Wartezeit können ohne Haftungsrisiko nur echte Notfälle behandelt werden", so die KV. (juk)

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