Pressemitteilung Moabit hilft! Berlin vom 08.10.2015
„MOABIT HILFT“ fordert weitreichende Lösungen von den politisch Verantwortlichen für den katastrophalen Zustand am LAGeSo
Entgegen aller Behauptungen und Mutmaßungen durch Politik und Medien
organisieren, kochen, sortieren, behandeln, pflegen, bespaßen,
informieren, betreuen, begleiten, trösten, transportieren, aktivieren
die ehrenamtlichen Unterstützer*innen der Bürgerinitiative „Moabit
hilft“ nach wie vor am LAGeSo. Und das oft 15 Stunden am Stück, Tag und
Nacht, sieben Tage die Woche.
UNENTGELTLICH.
Entgegen aller Behauptungen seitens der Politik und Verwaltung ist
gar nichts gut. Die Strukturen des LAGeSo sind intern bereits
zusammengebrochen. Die ehrenamtlichen Helfer*innen verhindern noch
größeres Chaos und managen seit Wochen mit einem großen Kraftaufwand den
Ausnahmezustand auf dem Gelände. Tagtäglich kommen bis zu 500 in die
Turmstraße 21, um sich registrieren zu lassen. Die verzweifelten,
wartenden Menschen werden Tag für Tag immer verzweifelter und der Winter
steht vor der Tür. Nachweislich warten die Menschen vom Zeitpunkt des
Anstellens für eine Nummer zur Registrierung bis zur Ausgabe der ersten
Unterlagen bis zu 57 Tagen.
Jeden Tag, fast zwei Monate!
„Moabit hilft“ klagt die Senatsverwaltung an:
Besonders Schutzbedürftige bleiben unversorgt, das
Asylbewerberleistungsgesetz bleibt über Wochen unberücksichtigt. Wenig
bis gar kein Geld, keine Krankenversorgung, mangelhaftes Essen und noch
schlechtere Informationspolitik. Die Folge ist ein katastrophaler
Ausnahmezustand.
Familien mit Babys liegen auf kaltem Beton, Menschen ohne Unterkunft
irren durch die Stadt, schlafen jede Nacht woanders oder unregistriert
in Zelten, in Parks oder bei Bekannten in überfüllten Wohnungen. Sie
werden von Hostels trotz amtlichem Unterbringungsschein nicht mehr
aufgenommen oder nach wenigen Tagen wieder vor die Tür gesetzt. Aufgrund
großer Zahlungsrückstände und wirtschaftlich unzumutbarer
Zahlungsziele. Vom Senat eingerichtete Notunterkünfte weisen die
geflüchteten Menschen ab.
Vom LAGeSo und der Senatsverwaltung für GESUNDHEIT UND SOZIALES nicht
versorgt werden: Hochschwangere Frauen, alte, gebrechliche Menschen,
schwerbehinderte. Transgender, Menschen, die post-operativ bzw.
posttransplantativ versorgt werden müssten, mit Lungenentzündung,
Mukoviszidose oder Tuberkulose. Schwer traumatisierte Menschen.
Entgegen aller Ankündigungen seitens des Senats sind seit Wochen
keine mobilen Teams in den Notunterkünften unterwegs, um die
Registrierung vor Ort vorzunehmen und die Situation am LAGeSo als
Erstaufnahmeeinrichtung zu entlasten. Effektiv werden maximal 250
Registrierungen am Tag vorgenommen. Die Folge: Menschen schlagen um
sich, drängen und trampeln, um eine der begehrten Wartenummern zu
ergattern.
Mangelnde bis gar keine Unterstützung der ehrenamtlichen Unterstützer*innen
Ehrenamtliche Helfer*innen sind weiterhin nur Gäste, werden geduldet,
aber in keinster Weise von offizieller Seite unterstützt. Trotzdem sie
nirgends mehr entbehrlich sind, weder am LAGeSo noch in den
Notunterkünften. Wo immer auch Menschen stranden, aufgrund der
staatlichen Ignoranz und Verweigerungshaltung.
• Es gibt keine personelle Unterstützung durch LAGeSo und/oder Senat
zur Versorgung der tage- und wochenlang anstehenden geflüchteten
Menschen außer der Lebensmittelversorgung durch einen
Krankenhauscaterer.
• Weder LAGeSo noch Senat gewährleisten eine medizinische Versorgung
der Menschen vor Ort, die über die seit Monaten vor Ort aufgebaute
ehrenamtliche Infrastruktur an Ärzt*innen, Helfer*innen und Hebammen
hinausgeht. Mit anderen Worten: Es gibt keine offizielle medizinische
Versorgung. Stattdessen: Behinderung der freiwilligen Unterstützung
durch internes Verwaltungschaos (siehe Versorgung mit Medikamenten).
• Es gibt von „Moabit hilft“ eine öffentlich einsehbare, täglich
angepasste Bedarfsliste von dringend benötigten Gütern. Weder LAGeSo
noch Senat stellen irgendwelche Güter zur Verfügung, nicht eine Decke,
nicht ein Regenponcho, nicht eine Windel.
• Weder LaGeSo noch Senat bieten den Ehrenamtlichen Versicherungen zu ihren Tätigkeiten an.
• Ehrenamtliche müssen aufgrund der angespannten Situation vom
LAGeSo-Gelände abgezogen werden. Es findet keine Deeskalation seitens
des LAGeSo statt.
• Der ehrenamtliche Verein „Freunde der Jugend und Familie e.V.“, der
seit mehreren Wochen mit ca. 800-1500 warmen Abendessen pro Tag die
Versorgung der ganztätig Wartenden ermöglicht, wird beim Veterinäramt
von einem großen Caterer angezeigt und ausgebootet.
Menschenunwürdige Zustände auf dem LAGeSo-Gelände
• Ein vierjähriges, entkräftetes Kleinkind wird leblos im Gebäude
aufgefunden und 20 Minuten lang reanimiert. Es war tagelang zum Warten
gezwungen.
• Ein Mann wurde beim morgendlichen Einlass überrannt, schwer
verletzt und musste reanimiert werden. Fast jeden Morgen werden
Geflüchtete niedergetrampelt und verletzt bei dem Versuch im LAGeSo
vorgelassen zu werden.
• Es gibt keine von der Senatsverwaltung organisierte Anlaufstelle
für nachts ankommende Flüchtlinge. Für am Wochenende ankommende
Flüchtlinge gibt es keinen Zugang zu Notunterkünften, nicht einmal für
Familien, geschweige denn zu medizinischer und humanitärer Versorgung.
Ohne freiwillige Helfer*innen und private Unterkünfte bleiben viele
hundert Menschen ohne Obdach, ohne Verpflegung, nur mit einer
öffentlichen Toilette gegen 50 Cent in der Umgebung des LAGeSO.
• Ein Kind mit Mukoviszidose soll in eine Gruppenunterkunft. Die
Überleitung in eine Unterkunft für besonders Schutzbedürftige zieht sich
Wochen hin, obwohl dies lebensgefährlich für das Mädchen ist. Eine
Infektion zusätzlich zu diesem Krankheitsbild kann binnen einer Stunde
zum Tod führen.
• Eine suizidale, schwerst katatonische Frau mit zwei Kindern, deren
Säugling auf der Überfahrt ins Meer geworfen wurde, weil es schrie, wird
erst nach einer Wartezeit von neun Tagen auf Druck und mehrfacher
Intervention der ehrenamtlich arbeitenden Mediziner als Härtefall
bearbeitet.
• Eine syrische Familie mit drei Kindern (3 Monate, 2 Jahre und 5
Jahre) wird aus der Unterkunft Motardstraße trotz Kostenübernahme des
LAGeSo weggeschickt. Der Betreiber verweigert eine Aufnahme, da sie
überbelegt sind. Die Ausstellung einer neuen Kostenübernahme durch das
LAGeSo wird wochenlang verweigert.
• Ein tschetschenischer, schwerst körperbehinderter Familienvater
wird trotz ärztlich bescheinigter Reiseunfähigkeit nach Eisenhüttenstadt
umverteilt. Seine 14jährige Tochter hat einen Herzfehler, der vorerst
unbehandelt bleibt, da das angesetzte MRT nur in Berlin durchgeführt
werden kann. Trotz besonderer Schutzbedürftigkeit wird die Umverteilung
nicht ausgesetzt.
Die Senatsverwaltung und ihre nachgeordneten Behörde (LAGeSo) versagen auf ganzer Linie
• Verzweifelte Geflüchtete kommen immer wieder zum LAGeSo zurück. Sie
leiden Hunger, da sie keine Unterkünfte finden, Unterkünfte keine
Kochmöglichkeiten haben und Barauszahlungen ausbleiben. Alle
Folgetermine zur Geldauszahlung sind auf 9.00 Uhr morgens angesetzt. Die
Termine sind durch die kollabierte Behörde nicht zu halten. Die
Geflüchteten warten tagelang auf Geldzahlungen der Leistungsabteilung,
Verlängerung der Kostenübernahme oder auch Röntgen zur
Tuberkuloseprävention. All diese Menschen teilen sich das offene Gelände
mit den täglich neu hinzukommenden Flüchtlingen. Die Anspannung steigt
mit jedem Tag mehr.
• Minderjährige Alleinreisende erhalten am LAGeSo eine Wartenummer
statt in die entsprechende Unterkunft für unbegleitete jugendliche
Flüchtlinge geleitet zu werden. Die Unterkunft Motardstraße schickt
Jugendliche wegen Überfüllung in die Obdachlosigkeit und verantwortet
mit diesem Verhalten die Gefährdung der besonders schutzbedürftigen
Jugendlichen (Bedrohung, körperliche Übergriffe).
• Weder LAGeSo noch Senat stellen einen Schutz vor den nun bereits
spürbar kälteren Temperaturen für die Flüchtlinge. Nach wie vor warten
die Menschen im Freien. Kein witterungsbeständiger Warteraum ist
zugänglich. Geschütze Wartebereiche stehen seit Wochen zur Verfügung,
werden zur Nutzung aber nicht freigegeben.
• Fertig gestellte Unterlagen werden unvollständig ausgegeben (Krankenscheine fehlen, Geldauszahlungen bleiben aus, Kostenübernahmen
werden nicht verlängert oder sind ungültig). Es gehen Unterlagen
mehrfach verloren. Das LAGeSo arbeitet weiterhin nur mit Papierakten.
• Weder LAGeSo noch Senat stellen deeskalierende Konzepte für die
angespannte Situation unter den Wartenden. Die Verantwortung wird der
Polizei und einem privaten Sicherheitsunternehmen übertragen,
deeskalierend einzuwirken. Die Personaldecke ist keinesfalls dazu
ausgelegt.
• Es gibt nach wie vor für Hunderte von wartenden Menschen nur eine
Wartenummerntafel in einem witterungsungeschützten Bereich. Warum wird
nicht eine weitere Nummernanzeige z.B. im Essenszelt oder anderen
Bereichen aufgestellt, damit die Lage entspannt wird?
• Es gibt weiterhin keine Ausschilderungen zu den Sanitärbereichen in den Häusern A und J
• Ausgabe von Unterlagen ausschließlich auf Deutsch
• Ausgabe von wertlosen Hostel/Hotelscheinen (s.o.).
„Moabit hilft“ stellt Forderungen an die politisch Verantwortlichen
Täglich werden seitens der Verantwortlichen aus dem Senat Gesetze
gebrochen. Wir fordern den Senat auf, sich an die Gesetzeslage zu halten
und Lösungen humaner Art sowohl für registrierte wie für unregistrierte
Geflüchtete zu finden. Ansonsten verdient die „Senatsverwaltung für
Gesundheit und Soziales“ die eigene Bezeichnung nicht.
Der Senat muss endlich ein tragfähiges Konzept vorlegen statt weiter
am Flickenteppich zu basteln! Das kollabierte System kann nicht länger
pro forma aufrechterhalten werden. Es müssen politische Konsequenzen
gezogen werden.
Wir fordern von Herrn Czaja, Herrn Gerstle, Herrn Müller und Herrn
Glietsch nach monatelangem Taktieren und dem Verschleppen von
Entscheidungen endlich ihrer politischen Verantwortung nachzukommen. Als
politische Entscheider tragen sie die volle Verantwortung für die
katastrophale Situation, den Unmut, die Unruhe, die immer größer
werdende Anspannung und das Leid am LAGeSo und in den Notunterkünften.
Frei nach Molière: die politischen Entscheider sind nicht nur
verantwortlich für das, was sie tun, sondern auch für das, was sie nicht
tun!
Muss erst das erste Kleinkind erfrieren oder sich ein Mensch aus purer Verzweiflung etwas antun?
Wir erwarten Lösungen. JETZT!
„Moabit hilft“ dankt ausdrücklich allen Helfer*innen,
Unterstützer*innen und Freund*innen, die täglich das Schlimmste
verhindern. Wir danken allen von ganzem Herzen für ihren beispiellos
langen Atem und für ihr Mensch-Sein.
Auch deshalb sagen wir Ehrenamtlichen:
Es reicht!
Wir rufen auf zur Demonstration am 17.Oktober 2015 um 14:30 Uhr am Alexanderplatz/Neptunbrunnen.
Bürger*Innen, erscheint zahlreich, bringt Banner mit, erklärt euch solidarisch, unterstützt uns, unterstützt die Geflüchteten.
Flüchtende Menschen sind kein Hilfsprojekt.
Wir fordern den Respekt ein, den man uns allen entgegenzubringen hat.
„Moabit hilft“ erklärt sich solidarisch mit den geflüchteten Menschen. Refugees welcome!
Die Bürgerinitiative „Moabit hilft“ (e.V. i.G.) setzt sich seit 2013
für geflüchtete Menschen ein. Zunächst, um den Neuankömmlingen einen
guten Start im Kiez Moabit zu ermöglichen, Sachspenden zu organisieren
und für menschenwürdige Unterkünfte zu sorgen. Seit über zwei Monaten
stellt „Moabit hilft“ mit hunderten ehrenamtlichen Helfer*innen die
Versorgung und medizinische Betreuung der geflüchteten Menschen am
LAGeSo sicher.
Pressekontakt:
Moabit hilft e.V. i.G., Diana Henniges (Mobil 0151 28 00 51 50. Email moabit.hilft@gmail.com)
Pressekonferenz:Freitag den 9.10.2015 um 13 Uhr
Am Haupteingang des Landesamt für Gesundheit und Soziales
Turmstraße 21 ,10559 Berlin
Und die Antwort des Amtes auf die Vorhaltungen:
AntwortenLöschenStabsarbeit Flüchtlingsmanagement Berlin im Fokus: Aktuelle Informationen
Pressemitteilung vom 09.10.2015
Seit dem 5. September 2015 sind 17.157 Flüchtlinge in Berlin neu aufgenommen worden. Den Landesweiten Koordinierungsstab Flüchtlingsmanagement stellt deren Unterbringung und Versorgung tagtäglich vor große Aufgaben.
Hier gibt es Fortschritte:
Die Arbeiten zur Inbetriebnahme des neuen Registrierungs- und Bearbeitungszentrums in der Bundesallee laufen auf Hochtouren. Die Umzüge der beteiligten Behörden LAGeSo, Ausländerbehörde und BAMF für die kommende Woche werden vorbereitet. Der Wartebereich in der großen Schalterhalle des Gebäudes wird mit Bänken vom neuen Terminal des BER in Schönefeld ausgestattet. Die bislang in Schönefeld eingelagerten Bänke werden heute mit Hilfe von Bundeswehrsoldaten in die Bundesallee transportiert und eingebaut.
Am 15. Oktober geht die neue Einrichtung mit allen dann am Standort vertretenen Behörden an den Start. Danach wird sich sukzessive die Situation am LAGeSo entspannen, da Zentrale Aufnahmestelle und die Leistungsstelle für Asylbewerber dann örtlich voneinander getrennt sind.
Das Management der Wartesituation auf dem LAGeSo-Gelände wurde verbessert. Mehrsprachige Hinweisschilder weisen den Wartenden jetzt den Weg zur richtigen Schlange (Erstregistrierung oder Leistungsstelle).
Wartenummern werden nur noch durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom LAGeSo ausgegeben. Diese sind als solche auch erkennbar.
Die Zahl der Sicherheitskräfte auf dem Gelände wurde von 25 auf derzeit 66 Mitarbeiter erhöht.
Der von Vivantes gestellte Caterer versorgt die Wartenden auf dem Gelände jetzt auch ab 17:00 Uhr mit einer zusätzlichen warmen Mahlzeit. Ab 18:30 Uhr treffen die Busse ein, die die wartenden Flüchtlinge in Notunterkünfte bringen.
Hier gibt es Verbesserungsbedarf:
Die Kapazitäten der Bearbeitungsstraße in der Kruppstr. liegen aktuell bei 100 Registrierungen pro Tag. Weitere Arbeitsplätze für Sachbearbeiter stehen dort zur Verfügung. Die Kapazitäten können ausgebaut werden, sobald neues Personal vorhanden und eingearbeitet ist.