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Dienstag, 10. November 2015

Hysterie, verlass mich nie: falscher TBC-Alarm in Notunterkunft der Polizei in Berlin

This media comes from the Centers for Disease Control and Prevention's Public Health Image Library (PHIL), with identification number #8438.
Aufgrund eines "TBC - Alarms" hat die Berliner Polizei in einer Turnhalle, die von ihr genutzt wurde, und die nun mit  Flüchtlingen belegt wurde, kurz danach offenbar aus eigenem Impetus den Notstand ausgerufen und eine "Quarantäne verhängt"(sic!?).  Gem. § 30 (2) IfSG: Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Auf ärztliches Anraten (update: Presseberichten zu Folge: Auf Anraten einer Feuerwehr Notärztin) hin, wie ganz eifrig versichert wird. Heute nun stellt sich heraus, dass dieser Verdacht (update: Husten(!sic!) offenbar unbegründet war. - Ein Schelm, der Böses dabei denkt. - Irgendwer im PPr hat wohl nachgedacht und ins Gesetz geguckt... oder es sogar gewusst: So geht`s natürlich nicht. Zu viel "outbreak" geschaut?

Die "Quarantäne" wurde jetzt offensichtlich kurzerhand und ratz-fatz in ein "Ausgehverbot" umgestrickt. Aber auch das ist ja definitionsgemäß eine freiheitsentziehende Massnahme, die absolut jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt? Kann man drehen und wenden wie man will. - Oder sollte ich mich da irren? Weshalb? Wieso? warum? Wer nicht fragt bleibt dumm! 
 
Quarantäne zu verhängen ist eine ganz schwer wiegende Massnahme, eine freiheitsentziehende Massnahme.
Hierzu mal ein kurzer Blick ins einschlägige Rechtschinesisch:

Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG)
§ 30 Quarantäne


(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.
(2) Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.
(3) Der Abgesonderte hat die Anordnungen des Krankenhauses oder der sonstigen Absonderungseinrichtung zu befolgen und die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen. Insbesondere dürfen ihm Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar einem Entweichen dienen können, abgenommen und bis zu seiner Entlassung anderweitig verwahrt werden. Für ihn eingehende oder von ihm ausgehende Pakete und schriftliche Mitteilungen können in seinem Beisein geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zur Sicherung des Unterbringungszwecks erforderlich ist. Die bei der Absonderung erhobenen personenbezogenen Daten sowie die über Pakete und schriftliche Mitteilungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet und genutzt werden. Postsendungen von Gerichten, Behörden, gesetzlichen Vertretern, Rechtsanwälten, Notaren oder Seelsorgern dürfen weder geöffnet noch zurückgehalten werden; Postsendungen an solche Stellen oder Personen dürfen nur geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zum Zwecke der Entseuchung notwendig ist. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.
(4) Der behandelnde Arzt und die zur Pflege bestimmten Personen haben freien Zutritt zu abgesonderten Personen. Dem Seelsorger oder Urkundspersonen muss, anderen Personen kann der behandelnde Arzt den Zutritt unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln gestatten.
(5) Die Träger der Einrichtungen haben dafür zu sorgen, dass das eingesetzte Personal sowie die weiteren gefährdeten Personen den erforderlichen Impfschutz oder eine spezifische Prophylaxe erhalten.
(6) Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, dass die nach Absatz 1 Satz 1 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur Verfügung stehen.
(7) Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen. Die Räume und Einrichtungen zur Absonderung nach Absatz 2 sind nötigenfalls von den Ländern zu schaffen und zu unterhalten."


Den einfachen Helferinnen und Helfern in anderen Massenunterkünften mit n>1.000 stehen solche repressiven staatlichen Machtmittel natürlich nicht zur Verfügung.  Dort bringt man den/die Betreffende/n mit der Verdachtsdiagnose "offene TBC" erst mal in eine geeignete diagnostische Einrichtung. Und dann meldet man den Verdacht dem Gesundheitsamt. Dieses -und weniger die Polizei- entscheidet dann über die notwendigen Maßnahmen.

Dass die Dinge auch einen anderen, eher doch merkwürdigen Weg gehen können, und diese Reihenfolge nicht unbedingt eingehalten werden muss, zeigt dieser Vorgang. Ob das alles korrekt war, kann ich nicht beurteilen; gewisse Zweifel tun sich allerdings schon auf.

http://www.tagesspiegel.de/berlin/radelandstrasse-in-berlin-spandau-quarantaene-in-fluechtlingsheim-aufgehoben-kein-tbc/12564524.html 



update: 
Nun wird kräftig zurückgerudert. Von Quarantäne könne keine Rede sein. Offenbar hat man sich nachträglich etwas schlauer gemacht.
http://www.morgenpost.de/berlin/article206557057/TBC-Verdacht-in-Notunterkunft-entpuppt-sich-als-Grippe.html


dort:
Eine Quarantäne wurde entgegen erster Berichte nicht verhängt.

Und was sagt das Recht?

In Deutschland sind gefahrenabwehrrechtliche Quarantänebestimmungen in § 30 Infektionsschutzgesetz, geregelt. Die dortigen Bestimmungen besagen, dass bei der Bekämpfung bestimmter Erkrankungen besondere Absonderungsmaßnahmen ergriffen werden können und müssen. Dies kann auch gegen den Willen der Erkrankten geschehen. Zurzeit sind nur die Pest und das hämorrhagische Fieber quarantänepflichtig, aber auch bei Erkrankungen wie der Cholera oder bei multiresistenten Keimen kommen Isolationsmaßnahmen zum Einsatz. Nur die behandelnden Ärzte, Pflegekräfte sowie Seelsorger müssen Zutritt zum Erkrankten haben, anderen Personen kann ärztlicherseits der Zutritt erlaubt oder verwehrt werden (§ 30 Abs. 4 IfsG).

Tuberkulose verdacht (!) findet sich dort jedenfalls nicht als Quarantäne auslösende Bedingung.

Und welche Symtome waren gegeben: "Die Frau soll stark gehustet haben und sei gegen 16.20 Uhr in ein Krankenhaus eingeliefert worden."



http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Politik/d/7230446/unions-fraktion-wusste-ueber-de-maizi%C3%A8res-plaene-bescheid.html

11:04 Uhr: Berlin: Quarantäne nach TBC-Verdacht in Unterkunft aufgehoben

Eine nach dem Verdacht auf Krätze und Tuberkulose (TBC) verhängte Quarantäne in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft ist heute aufgehoben worden. Wie ein Polizeisprecher sagte, handelte es sich statt der befürchteten Tuberkolose lediglich um einen grippalen Infekt. In der Unterkunft in Berlin-Hakenfelde – eine von der Polizei betriebene Sporthalle – war am Montagabend auf ärztlichen Rat über Nacht ein Ausgehverbot verhängt worden.
Nach Angaben der Feuerwehr wurden acht Menschen wegen des Verdachts auf Krätze und TBC ins Krankenhaus gebracht. In mindestens einem Fall wurde der Polizei zufolge tatsächlich Krätze festgestellt. In der Turnhalle waren zuletzt mehr als 300 Menschen kurzzeitig untergebracht. Sie sollten nach Polizeiangaben noch heute in eine andere Unterkunft umziehen.

http://www.bz-berlin.de/berlin/spandau/fluechtlingskrise-wenn-berlins-polizei-ploetzlich-hilflos-ist%E2%80%89




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